Utopien sind keine Begründung für Konservativismus

…im Gegenteil, sie sind ein Argument gegen die Erhaltung des derzeitigen Ist-Zustandes. Ohne Bewegung, ohne Progressivität kommt man nicht von der Gegenwart in eine hoffentlich bessere Zukunft.

Die Utopie von der ich spreche ist die postgender-Gesellschaft. Dort wollen wir hin. Das schaffen wir aber nicht, indem wir schlicht behaupten, wir wären bereits postgender. Dass wir das nicht sind, ist wissenschaftlich belegbar.

Ich kann freilich nicht sagen, ob es besser werden wird wenn es anders wird; aber so viel kann ich sagen, es muß anders werden, wenn es gut werden soll.

Dieses Zitat von Georg Christoph Lichtenberg trifft auch in der gegenwärtigen Genderdebatte den Nagel hervorragend auf den Kopf. Wir können also Stillstand bewahren (wie die "alten" konservativen Parteien es die ganze Zeit tun) oder progressiv, fortschrittlich sein und neue Wege ausprobieren, auf die Gefahr hin, dass es sich als Irrtum erweist und wir noch andere neue Wege suchen und ausprobieren müssen.

Ein Irrtum wird nicht zur Wahrheit, nur weil er mehrfach propagiert wird, genauso, wie die Wahrheit nicht zum Irrtum wird, nur weil keiner sie sehen will.

Auch wenn Gandhi eher nicht als Feminist in die Geschichtsbücher eingegangen ist, passt sein Zitat dennoch wie die Faust aufs Auge. Wir sind nicht postgender, nur weil Menschen dies, einem delirierenden Sprechgesang gleich, immer und immer wiederholen, sei es weil sie zu ängstlich für Veränderung sind oder weil sie ganz egoistisch das bestehende Patriarchat beibehalten wollen.

Warum es gefährlich ist, den Begriff 'postgender' zu verwenden, erklärt Alexander Thomas eindrücklich: http://www.asaekante.de/?p=316

Immer wieder wird eine Quote als mögliches Instrument zur Erlangung von Geschlechtergerechtigkeit äußerst kontrovers diskutiert. Und dennoch habe ich bis zum heutigen Tag kein valides Argument gegen Quote gehört.

Laura Dornheim auch nicht:

 

@LeichtmatroseBW machte mich völlig zu Recht darauf aufmerksam, dass man auch dann, wenn man gegenwärtige Mißstände mißbilligt, triftige Gründe gegen eine Gegenmaßnahme haben kann:

https://twitter.com/LeichtmatroseBW/status/395538209066995712

Auffällig ist jedoch das völlige Ausbleiben alternativer Lösungsansätze. Abgesehen von "laßt uns mal das mit der Quote probieren" ist "laßt alles so wie es ist" der fortschrittlichste (sic!) Vorschlag. Finde den Fehler!

Edit 22.7.2014: Dieser Blogeintrag war die Reaktion auf einen klitzekleinen Twitter-Shitstorm, den ich die 24h davor zusammen mit Andern abbekam. Der Shitstorm wiederum war die Reaktion auf einen Blogeintrag, den ebenjene Andere gemeinschaftlich mit mir verfaßten. Warum ich damals nicht auf die Idee gekommen bin, diesen Blogeintrag auch in meinem Blog zu veröffentlichen, ist mir im Nachhinein schleierhaft, deshalb möchte ich ihn wenigstens nachträglich erwähnt haben:
Feminismus, Quote und eine Antwort auf einen Blogartikel

2 Gedanken zu “Utopien sind keine Begründung für Konservativismus

  1. Holla

    Und welche validen Argumente gibt es dafür innerhalb der Piratenpartei? In Berlin gab es nur Frauen auf den ausichtsreichen Positionen der Bundestagsliste. Ganz ohne Quote - einfach aus Überzeugung. Also komplett sinnlos diese Anträge (eher kontraproduktiv).
    Konservatismus spiegelt sich heutzutage nicht im Fehlen einer Quote, sondern genau in dieser. Siehe altmodische Quotenparteien.
    Frauenquote in einer Partei, die Geschlechtszugehörigkeit ihrer Mitglieder gar nicht erfasst, ist hanebüchener Unsinn und komplett unrealistisch. - Gibt es dann da eine Kontrollkomission oder sowas?
    Wenn eine Frauenquote wirklich gerecht sein soll, dann höchstens, wenn sie sich nach dem Frauenanteil in der Partei berechnet.
    Aber vielleicht äußerst du dich ja mal dazu, dass Quotengegner wegen ihrer Meinung, als Konservatisten, Maskulisten (und auf Twitter als sonstwas) beschimpft werden.

    Antwort
  2. Holla

    Mir ist da da noch was aufgefallen: Im eingebundenen Vortrag, redet Frau Dornheim davon, es gehe um "Geschlechterquote", nicht um "Frauenquote". Folgerichtig heißt dann der Titel ihres Antrags SÄA017 "Geschlechtergerechtigkeit in Gremien und Liste". Aber Achtung! Im Antragstext wird "geschlechterparitätisch" so definiert: "Mindestens die Hälfte der Mitglieder soll aus Frauen oder Menschen, die sich selbst nicht als Mann identifizieren, bestehen. " Also eine reine Anti-Männer-Quote (denn umgekehrt gilt das nicht). Gerecht oder paritätisch ist daran gar nichts mehr. Die davor verwendeten Begriffe sind reine Marketing-Augenwischerei.

    Einzig milde am Paragraphentext stimmt mich die Formulierung "oder Menschen, die sich selbst nicht als Mann identifizieren". Nein, ich identifiziere mich nicht als Mann. Nicht nur, dass ich die ganze Mann/Frau-Einteilung prinzipiell ablehne, so bin ich innerlich wirklich in vielen Dingen eher ganz anders. Aber realistisch gesehen, wird mir das keiner glauben, weil die Meisten nur oberflächlich nach dem Äußeren urteilen. - Da hätte ich auch gerne einen alternativen Lösungansatz.

    Nur gut, dass ich aus anderen Gründen, sowieso keinen Patei-Posten anstrebe. Aber für mich ist eben die Quote genau das konservative Zeichen, wie für die grauen Grünen und ihre Nachahmer das Gegenteil.

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