Wie offenherzig darf ich sein?

Manchmal glaube ich, unsere Gesellschaft bewegt sich unaufhaltsam auf ein 4. Reich zu. Beckstein sagt in einem Live-Interview, daß man die „ethnische Herkunft der Menschen in einem Zentralregister erfassen muß“, läßt aber offen, ob der Judenstern diesmal wieder auf der rechten oder linken Brusthälfte befestigt sein muß und welche Erkennungszeichen er sich für Moslems, Linksliberale oder sonstige Gegner der NSDAP-Nachfolgepartei CSU wünscht. Und im nächsten Satz verlangt er, „das Prinzip in-dubio-pro-reo muß abgeschafft werden — man muß auch mal jemanden auf Verdacht einsperren können.“

Beckstein sagte beides wörtlich in einem Live-Interview während einer Fernsehsendung aus Anlaß des Jahrestages der Anschläge vom 11. September 2001 und ist nicht dafür angeklagt, verurteilt und eingesperrt worden, obwohl die geltenden Gesetze dies verlangen (Rassendiskriminierung, Volksverhetzung, Aufruf die Staatsordnung abzuschaffen.

Schäuble schafft Menschenrechte in Deutschland ab, setzt sich hierfür über das Grundgesetz hinweg und schafft einen Bundesnachrichtendienst mit technischen und juristischen Möglichkeiten, von denen die Gestapo und die Stasi nur hätten träumen können.

Alle Bundesbürger sind terrorverdächtig, selbst Kleinkinder müssen Reisepässe mit biometrischen Daten haben, wenn Sie ins Ausland wollen. Die Bundesregierung selbst gibt aber zu, daß biometrische Daten nicht oder zumindest nur unerheblich geeignet sind, bei der Terrorbekämpfung zu helfen. Wenn sie die Daten also nicht für die Terrorbekämpfung braucht, wen will die Bundesregierung dann bekämpfen? Vielleicht die Bürger? Ich wage es nicht, mir auszumalen, wohin die politische Reise in Deutschland noch gehen könnte.

 Eine Regierung, für die jeder verdächtig ist, ist selbst verdächtig!
Will ich trotzdem Informationen preisgeben?

Ich muß bei der derzeitigen politischen Lage davon ausgehen, daß alles was hier steht gegen mich verwendet werden wird. Ich bin kein CDU-Wähler, also bin ich wohl automatisch ein Terrorverdächtiger.

Ich will eine Regierung links von der politischen Mitte. Verdächtiger geht‘s ja wohl kaum! Nein, keine kommunistische oder sozialistische Regierung. Einfach nur gemäßigt (!) links. Links, so wie die Sozialdemokraten mal links waren, bevor die SPD begann, sich vor dem eigenen Profil zu fürchten. Links, so wie die Brandt- oder Schmidt-Regierungen es waren, als das „S“ in SPD noch eine Bedeutung hatte. Inzwischen ist das „S“ aber genauso bedeutungslos wie es das „C“ in CDU und CSU seit jeher waren.

Oh, nein! Jetzt beichte ich tatsächlich öffentlich meine Ablehnung der beiden großen „Volks“parteien. Also doch ein Linksradikaler? Ein Linkspartei-Wähler? Mitnichten! Jedenfalls bisher. Aber bevor ich zu so einer Verzweiflungstat fähig wäre, hoffe ich immernoch auf das politische Wunder in Deutschland.

Oder vielleicht Auswanderung? Nur wohin? Das einzige Land, in dem ich gerne leben würde ist Deutschland! (Edit: Nicht, weil Deutschland so toll wäre, sondern weil ich nicht von jedem in meiner Familie erwarten kann, in einem Land leben zu wollen, dessen Amtssprache sie nicht verstehen.) Na, ja! Vielleicht auch Österreich, die haben da auch bessere Schulgesetze, aber dafür auch den Haiderkult. Da ist mir der Schäuble ja fast noch lieber. Bei Schäubles Schicksal ahne ich wenigstens, woher die Bitterkeit und der Menschenhaß kommen.

Außerdem ist es anderswo nicht besser, jedenfalls was das politische System anbelangt. Überall versuchen die Herrschenden inzwischen maximale Überwachung und Kontrolle zu erlangen. Je mehr Informationen ich im Internet (Website, Facebook, Twitter…) preisgebe, desto leichter mache ich es der Regierung, mich zu manipulieren und kontrollieren.

Trotzdem sehe ich soziale Netzwerke eher als Chance denn als Gefahr. In der arabischen Welt wird das Web 2.0 derzeit genutzt, um die Revolution zu organisieren. Das ist eine Möglichkeit, die vielen gescheiterten Revolutionen gefehlt hat. Die Gefahr sehe ich eher darin, daß der Staat uns dieses Instrument nehmen könnte, indem er das Internet kontrolliert und zensiert. Das Internet muß dezentralisiert werden. Es muß eine Infrastruktur geschaffen werden, welche dem Staat den Eingriff unmöglich macht.

Petrus hat seine Beziehung zu Jesus dreimal verleugnet. Ich wäre sicherlich nicht mutiger. So ist die vielfältige Preisgabe meiner Überzeugungen und sonstiger Informationen über mich im Internet vielleicht auch ein Zwang, Farbe zu bekennen. Wenn ich dereinst für meine Ideale einstehen muß, fällt mir dies möglicherweise etwas leichter, wenn ich, dank meiner offenherzigen Enthüllungen im Internet, ohnehin keine andere Wahl habe.

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